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    Samtgemeinde Boffzen

    NS-Zwangsarbeit

     

    In der Samtgemeinde Boffzen wurden flächendeckend ausländische Zwangsarbeiter eingesetzt. In der Mehrzahl handelte es sich um Personen aus Polen und der damaligen Sowjetunion. In dieser Auflistung können nur die größeren ‚Arbeitgeber’ und Lager genannt werden.

    Industrie

    Größter ‚Arbeitgeber’ war die Holzwarenfabrik Herlag in Lauenförde. Sie wurde bereits 1938 von ihrem Besitzer Erich Rose zwangsverkauft. Zwei Jahre darauf stellte der Betrieb auf Rüstungsproduktion für die Marine um. Insgesamt mussten dort etwa 100 sowjetische Kriegsgefangene und rund 60-80 ukrainische Frauen arbeiten. Sie waren seit 1943 auf dem Betriebsgelände untergebracht, im Jahr zuvor hatten sie auf dem Anwesen Kohlberg bzw. in der Gastwirtschaft Paulmann gelebt. Die schwersten Arbeiten im Betrieb mussten die sowjetischen Kriegsgefangenen erledigen. Die Arbeits- und Lebensbedingungen waren allgemein untragbar: „Wir kriegten doch zum Essen nur Wasser. [...] Wenn durch das viele Wasser die Mädchen einmal mehr zur Toilette gegangen sind, haben die Deutschen gleich geschlagen,“1  so eine Ukrainerin. Laut Zeugenaussagen wurde in den Jahren 1942 und 1945 jeweils ein sowjetischer Gefangener erschossen, weitere wurden nach Fluchtversuchen schwer misshandelt.

    In mindestens vier weiteren Betrieben der Region wurden während des Krieges ausländische Arbeiter beschäftigt. So arbeiteten in der Porzellanfabrik in Fürstenberg während des Krieges mehr als 30 ArbeiterInnen aus der Sowjetunion; der Direktor soll sie schlecht behandelt haben. Die 30-60 (Angaben variieren) „Ostarbeiterinnen“ eines Barackenlagers im Rottmündental, Boffzen, wurden von den beiden örtlichen Glashütten beschäftigt, darüber hinaus vermutlich auch im Sperrholzwerk und einer Gärtnerei. Nach Aussagen war ihre Verpflegung unzumutbar, das Essen häufig verdorben. Auch soll in mindestens zwei Fällen sexueller Missbrauch vorgekommen sein. Darüber hinaus bestand in Boffzen im Bürogebäude des ehemaligen Sägewerks ein serbisches Kriegsgefangenenlager mit teilweise bis zu 40 Personen, darunter vermutlich auch einigen Belgiern.

    Forst, Landwirtschaft u.a.

    In der Sollinger Forstwirtschaft mussten rund 30 russische Kriegsgefangene arbeiten, die in einem Lager in Rottmünde untergebracht waren; ihre Ernährung war ungenügend.

    Auf der Domäne Fürstenberg arbeiteten und lebten ungefähr 18 Italiener und acht Russen. Auf dem Gut Mansberg in Meinbrexen waren die rund 12 Polen und vier Ukrainer in einem zum Gut gehörenden Arbeiterwohnhaus („Polenkaserne“) untergebracht, darüber hinaus wird von zwei niederländischen Arbeitern berichtet. In einem Nebengebäude der Schweizstraße 7, Lauenförde, wurde ein Kriegsgefangenenlager eingerichtet, dessen 40-50 französischen Gefangenen zur Arbeit auf den umliegenden Höfen eingesetzt wurden. Ein kleineres serbisches Gefangenenlager befand sich zudem in der Langen Straße 1 in Derental.

    Darüber hinaus kamen ausländische Landarbeiter, hauptsächlich handelte es sich um Polen, in allen zur heutigen Samtgemeinde gehörenden Ortschaften direkt auf Bauernhöfen unter. Sie arbeiteten in der Land-, aber auch Forstwirtschaft. Allein in Derental handelte es sich in der Zeit 1939-1943 um insgesamt 65 Polen. Die Arbeits- und Lebensbedingungen hingen vom jeweiligen „Arbeitgeber“ ab. Gleich nach ihrer Befreiung erschlugen polnische Arbeiter in einem Racheakt den Lauenförder Ortsbauernführer.

    Frauen wurden zudem auch als Haushalthilfen beschäftigt. Häufig kamen sie direkt beim jeweiligen Bauern unter. Darüber hinaus existierte in einem Nebengebäude der Unterstraße 1a in Lauenförde ein entsprechendes Lager mit 20-30 polnischen Frauen.

    Über das reine Arbeitsverhältnis hinausgehende Beziehungen zu ausländischen Zwangsarbeitern konnten für beide Beteiligte schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Der bei der Herlag in Lauenförde arbeitende Deutsche Gauding wurde wegen seines Verhältnisses mit einer Ukrainerin nach einer Denunziation 1944 im Arbeitserziehungslager (AEL) Lahde inhaftiert, wo er unter schlimmsten Bedingungen Zwangsarbeit leisten musste. Seine spätere Frau Lydia wurde zur Gestapo nach Hildesheim überführt und sollte in ein KZ weitertransportiert werden; dank der Hilfe eines Wachmannes durfte sie stattdessen nach Lauenförde zurückkehren. Eine andere „Ostarbeiterin“ der Herlag wurde laut Zeugenaussage in ein Konzentrationslager überführt, da sie sich mit einem russischen Gefangenen Briefe schrieb. Weil er eine polnische Zwangsarbeiterin mit am Tisch essen ließ, wurde zudem ein Bürger Boffzens denunziert.

    1   Gauding, Lydia: Meine Erinnerungen und mein Schicksal als russische Zwangsarbeiterin in Lauenförde, in: Creydt, Detlef: Zwangsarbeit Bd. 3, Holzminden 1995, S. 231-234,  hier 232.

     

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