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Einbeck
Politischer Widerstand und Verfolgung Mit dem Sieg der Nationalsozialisten 1933 fand der organisierte Widerstand schnell ein Ende. Im April wurden bei den führenden SPD-Mitgliedern Hausdurchsuchungen durchgeführt, viele wurden vorübergehend verhaftet. August Fricke kam für 1 ½ Jahre in das Hamelner Zuchthaus; er hatte illegal Artikel gegen Hitler veröffentlicht. Der früherer Senator und SPD-Mitglied Bertram aus Salzderhelden wurde im September des Jahres in das frühe KZ Moringen eingewiesen. August Jünemann wurde 1934 aufgrund einer Denunziation (er habe die „Internationale“ gesungen) für drei Monate im Konzentrationslager Esterwegen interniert, der Kaufmann Sachsenröder im KZ Papenburg – letzterer, obgleich NSDAP-Mitglied, aufgrund von „Zersetzungstätigkeit“; auch innerhalb der Partei selbst gab es demnach Querelen. 1936 wurden zwei Arbeiter in „Schutzhaft“ genommen, da sie die „Internationale“ gesungen hätten. Im Rahmen der reichsweiten Aktion „Gewitter“ im August 1944 wurden – teils erneut – fünf Sozialdemokraten und der Kommunist Fricke in Hildesheim interniert. Fünf von ihnen kamen anschließend für einige Wochen über das Gefängnis Hannover-Ahlem in das KZ Neuengamme in Hamburg. Auch in den zwischenliegenden Jahren hat es einzelne politisch motivierte Verhaftungen gegeben. Jüdisches Leben und Verfolgung Der erste Nachweis jüdischen Lebens in Einbeck stammt von 1298 und belegt die Existenz jüdischer Bewohner im Ort bereits in den vorherigen Jahren. Eine jüdische Gemeinde gab es vermutlich seit dem 15. Jahrhundert, die Synagoge stand in der Judenstraße und wurde darüber hinaus als jüdische Lehranstalt genutzt. Durch Abwanderung und Vertreibung endete in Einbeck das jüdische Leben Ende des 16. Jahrhunderts vorerst; ab 1673 begann eine erneute Ansiedlung und ab ca. 1768 existierte wieder eine eigene Gemeinde. In diese Zeit fällt auch der Bau einer Mikwe (jüdisches Badehaus) vor dem Benser Tor. Das 1800 als Synagoge erbaute Fachwerkhaus in der Baustraße wurde 1896 von einer neuen Synagoge in der Bismarckstraße abgelöst. Der neueste jüdische Friedhof wurde 1827 in der Rabbethgestraße angelegt, ab 1910 gehörte der Gemeinde auch ein gesonderter Teil des Zentralfriedhofs. In den Jahren des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 waren 68 Juden in Einbeck gemeldet. Wie auch andernorts litten sie bald unter Berufsverboten, Diffamierungen und Geschäftsboykotten. Bereits 1932 war der Jüdische Frauenverein von einer Besprechung zur „Allgemeinen Winterhilfe“ ausgeschlossen worden. Nach einer Kundgebung im August 1935 wurden an den Ortseingängen Schilder angebracht mit dem Ausspruch „Juden sind in Einbeck nicht erwünscht!“ Sie wurden wegen der Olympiade im darauffolgenden Jahr wieder entfernt. Ebenfalls 1935 wurden auf dem jüdischen Friedhof Grabsteine umgeworfen und Fenster der Synagoge eingeschmissen; vonseiten der SA fanden gegenüber jüdischen Geschäften Ausschreitungen statt. Nicht-jüdische Einwohner, die Verbindungen zu Juden pflegten oder im Verdacht standen, dies zu tun, wurden öffentlich bloßgestellt. In der Reichspogromnacht 1938 wurde die Synagoge mit Einbecker Beteiligung von der Bad Gandersheimer SS niedergebrannt, jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet sowie Juden vorübergehend in „Schutzhaft“ genommen; wertvolles Mobiliar wurde am Mühlenwall versteigert. Nach diesen Ereignissen mussten auch die letzten jüdischen Kaufleute ihre Geschäfte verkaufen. 1940 wurde zudem der Friedhof an der Rabbethgestraße gezwungenermaßen an die Stadt ‚verkauft’, der Kaufpreis wurde jedoch einbehalten. Die Grabsteine erwarb das Granitwerk Lauschke. Das Gelände wurde anschließend verpachtet und von der Firma Rabbethge landwirtschaftlich genutzt. Am 24. März 1942 wurden aus der Region die verbliebenen jüdischen Einwohner von Hannover über Hildesheim in Konzentrationslager deportiert, darunter auch die Schwestern Bertha und Elsa Archenhold aus Einbeck. Martha Giebe wurde 1943 denunziert und von der Gestapo verhaftet. Die Jüdin Friederike Winter war einer Deportation bislang entkommen, da sie in einer sogenannten „Mischehe“ lebte; der Tod ihres Mannes bedeutete jedoch das Ende des Sonderstatus. Mit dem anschließenden Selbstmord Winters endete im März 1944 das jüdische Leben in Einbeck. Insgesamt hatten 21 jüdische Bewohner Einbecks rechtzeitig ins sichere Ausland emigrieren können. Drei wurden jedoch in den Freitod getrieben und 26 in Konzentrationslager deportiert – darunter auch Personen, die ab 1933 in andere deutsche Städte oder später besetzte Länder umgezogen bzw. geflüchtet waren. Als letzter von ihnen starb im Oktober 1944der im zum KZ Buchenwald gehörenden Außenlager Wille internierte Julius Sollinger. Von neun aus Einbeck verzogenen Juden ist der weitere Weg unbekannt. Zusammen mit seiner Frau kehrte Alfred Kayser nach Kriegsende als einziger Jude aus der (in diesem Fall palästinensischen) Emigration nach Einbeck zurück. Vorübergehend lebte auch Selma Sollinger wieder in der Stadt. Sie eröffnete ein Textilwarengeschäft, emigrierte aber bereits 1946 in die USA. Auf dem Platz der zerstörten Synagoge in der Bismarckstraße steht heute ein Wohnhaus. Der jüdische Friedhof an der Rabbethgestraße wurde nach Kriegsende auf Druck der britischen Militärbehörde wieder instand gesetzt, da die Grabsteine beim Steinmetz zum großen Teil erhalten geblieben waren. Der Friedhof wird heute vom Landesverband der jüdischen Gemeinde in Niedersachsen mit Unterstützung der Stadt Einbeck betreut. Zeugen Jehovas Die sogenannten „Internationalen Bibelforscher“ (zu der Zeit eigentlich bereits in „Zeugen Jehovas“ umbenannt) warben in Einbeck auch Mitte der 1930er Jahre noch für ihre Gemeinschaft. Da sie sich dem totalitären nationalsozialistischen System sowie jeglichem Bezug zu militärischen Handlungen – z.B. Wehrdienst, Rüstungsproduktion oder Unterstützung der Soldaten – aus religiösen Gründen verweigerten, wurden sie als eine Gefahr angesehen. Vor Februar 1936 wurden deshalb acht Zeugen Jehovas aus Einbeck in „Schutzhaft“ genommen. Zwangssterilisation Der Kreisarzt aus Einbeck stellte in den Jahren 1934-1945 insgesamt 38 Anträge auf Zwangssterilisation von Frauen an der Göttinger Universitätsfrauenklinik. Darunter befand sich 1937 eine Landarbeiterin aus der Region Einbecks mit der vermeintlichen Diagnose „angeborene[m] und moralische[m] Schwachsinns“.
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