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Moringen

Geschichte der Erinnerungskultur

Bereits 1945 wurde der jüdische Friedhof auf Befehl der amerikanischen Truppen von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern wieder instand gesetzt. 1960 pflegte die Sozialistische Jugend „Die Falken“ den Friedhof und setzte sich für einen Gedenkstein an vier hier bestatteten russische Kriegsgefangene ein.

Die Aufarbeitung der Geschichte der Konzentrationslager, die Mitte der 1970er Jahren auf Initiative der örtlichen Pastoren begann, stieß anfangs auf große öffentliche Gegenwehr. Als 1978 aus Anlass der Einweihung eines Neubaus des Niedersächsischen Landeskrankenhauses Moringen eine Festschrift herausgegeben wurde, in der in einem kurzen Abschnitt über die drei Konzentrationslager berichtet wurde, und als dies 1979 in den Gemeindebrief der Kirchengemeinde übernommen wurde, entbrannte ein Sturm der Entrüstung. Vorwürfe der „Nestbeschmutzung“ wurden laut und der Rücktritt des verantwortlichen Pastors gefordert. Abgelehnt wurde ebenso die Errichtung des Gedenksteins zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus auf dem Friedhof Moringen im Jahr 1980, der im lokalen Raum bald den Beinamen „Kommunistenstein“ trug. Als Pastor Hickmann 1982 in seiner Rede zum Volkstrauertag auch ein Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur forderte, distanzierte sich der Präsident des Heimkehrerverbandes spontan von diesem Anliegen.

Eine Chronik, die 1983 anlässlich der 1.000 Jahr-Feier der Stadt Moringens erschien, provozierte einen erneuten Skandal. So wurde in ihr der Zweite Weltkrieg als „Selbstbehauptungskampf des Deutschen Reiches“ bezeichnet und die Konzentrationslager mit keinem Wort erwähnt. Die nachfolgende Auseinandersetzung blieb nicht auf Moringen beschränkt; in einem offenen Brief an den niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht kritisierte der Präsident der jüdischen Gemeinde Berlins, Heinz Galinski, die Chronik. Als eine Reaktion distanzierte sich der Moringer Stadtrat am 5. August 1983 in einer öffentliche Sondersitzung vor etwa 300 anwesenden Moringer Bürgern einstimmig von diesen geschichtsverfälschenden Passagen. Gegen die Stimmen der lokalen CDU wurde beschlossen, die Chronik nicht weiter als offizielle Festschrift anzusehen, sowie – mit einer Gegenstimme von der FDP –, sich bei den betreffenden Personen zu entschuldigen. Die regionale Zeitung HNA veröffentlichte ihren anschließenden Bericht unter der Überschrift: „Rat akzeptiert: Es gab ein KZ“ . Von der Bundesrepublik Deutschland (Bundesentschädigungsgesetz) war das Jugend-KZ ebenfalls erst spät, 1970, als Konzentrationslager anerkannt worden.

 Gedenkfeier

Gedenkfeier 2004 mit Kranzniederlegung am Gedenkstein auf dem Friedhof / am Gräberfeld des Jugend-KZ Moringen  (Fotos: D. Sedlaczek)

 

  Gedenkfeier

Im Herbst des selben Jahres fand das erste Treffen ehemaliger KZ-Häftlinge statt, organisiert wurde es von der ev. Kirchengemeinde. Im August 1984 kündigte der Verwaltungsleiter des LKH Rainer Wiegand an, dass im Zuge der bevorstehenden Renovierung des ehemaligen Waisenhauses in der Eingangshalle ein Gedenkraum eingerichtet werden sollte, der auch der Geschichte der drei Konzentrationslager thematisiert. Damit konnte zwei Jahre später – zusammen mit einer Gedenktafel an der Außentreppe des Gebäudes – die Forderung nach einer Dokumentation am historischen Ort erfüllt werden. Gleichwohl wurde die Inschrift der Tafel vonseiten engagierter Personen kritisiert, da sie den nationalsozialistischen Begriff „Jugendschutzlager“ unreflektiert verwendet.

Nachdem in den 1970ern auf dem Moringer Friedhof die nicht verzeichneten Gräber von im KZ verstorbenen Jugendlichen lokalisiert wurden, konnte zum Buß- und Bettag 1988 im Beisein ehemaliger KZ-Häftlinge ein Gräberfeld für diese sowie für die Verstorbenen des späteren DP-Lagers eingeweiht werden. Auch wurde auf Initiative der Ehemaligen sowie engagierter Bürger der Region Ende April 1989 auf einem Gedenktreffen die Lagergemeinschaft und Gedenkstätteninitiative KZ Moringen e.V. gegründet sowie die Aufgaben dieses Vereins der Öffentlichkeit vorgestellt: Interessenvertretung der ehemaligen KZ-Häftlinge, Aufarbeitung der Geschichte der drei lokalen Konzentrationslager, Sicherung der historischen Quellen sowie die Pflege der Mahnmale. Für all dies wurde eine „würdige Gedenkstätte“ am historischen Ort gefordert, deren Realisierung allerdings erst 1993 mit der Einschränkung, dass eine Gedenkstätte direkt auf dem historischen Gelände nicht möglich war, gelang. Während der Abschlusskundgebung der Gedenkfeier zeigte sich ein ehemaliger Häftling enttäuscht, dass nur wenige Personen aus der Moringer Bevölkerung teilnahmen; hieran entzündete sich erneut ein öffentlicher Streit, der auch in den Medien ausgetragen wurde. Aus Sicht der Kritiker setze ein Anerkennen der KZ-Opfer diese mit Kriegsteilnehmern, Vertriebenen und Bombengeschädigten gleich; diese können aber nicht gleich sein, da die ehemaligen Häftlinge nach Ansicht der Kritiker als Kriminelle zu Recht interniert waren.

Die CDU beantragte im Zusammenhang dieser Debatte Mitte Juni 1989 im Stadtrat, dass dieser die Vorwürfe „angeblich spürbarer Nachwehen des braunen Ungeistes“ offiziell zurückweisen sollte. SPD und Grüne formulierten einen Gegenantrag, den sie in einer öffentlichen Ratssitzung verabschieden konnten. Auch dies fand nicht nur im lokalen Raum statt: Im Rahmen eines Staffellaufs von Neuengamme nach Dachau zur Errichtung einer Jugendbegegnungsstätte machten die Teilnehmer u.a. in Moringen Station, die sie begleitenden Medien berichteten dabei auch über die Ratssitzung.

Gedenkfeier

Rundgang über das ehemalige KZ-Gelände im Rahmen des Gedenktreffens 2009. Heute befindet sich hier die Maßregelvollzugsanstalt Niedersachsen (Foto: D. Sedlaczek)

Eine dauerhafte KZ-Gedenkstätte konnte schließlich im Jahr 1993 eingerichtet werden. Sie befindet sich in einem ehemaligen Torhaus der Stadtbefestigung, Trägerverein ist die Lagergemeinschaft. Im Rahmen der jährlichen Treffen ehemaliger Häftlinge findet auch eine Gedenkveranstaltung am Gräberfeld statt. Eine gute Zusammenarbeit besteht darüber hinaus mit dem Landeskrankenhaus, das sich in den Gebäuden des ehemaligen Konzentrationslagers befindet; so wurden beispielsweise 2007 eine gemeinsame Tagung veranstaltet.

 

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