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Bodenwerder

Jüdisches Leben und Verfolgung

In der Stadt Bodenwerder lebten mit Unterbrechungen bereits seit den 1390er Jahren und dauerhaft seit dem 17. Jahrhundert jüdische Personen. Einen Friedhof (Vor dem Mühlentore) gab es spätestens seit Ende desselben Jahrhunderts. Die jüdischen Einwohner Bodenwerders gehörten ab 1843 zeitweise zur Synagogengemeinde Polle, hielten aber durchgehend ihre eigenen Gottesdienste ab. Durch Zuzug aus den umliegenden Orten vergrößerte sich die Gemeinde seit den 1870er Jahren, Anfang des 20. Jahrhunderts wanderten jedoch viele in größere Städte ab.

Einen jüdischen Friedhof gab es seit Ende des 18. Jahrhunderts auch in Kemnade (Unter der Piese), eine eigene Gemeinde hat dort jedoch nicht bestanden. In Breitenkamp ist bereits im 17. Jahrhundert eine jüdische Familie bekannt, Mitte des 18. Jahrhunderts auch in Kirchbrak. Ein Friedhof wurde spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts im Dorf Kirchbrak, Westerbraker Straße 7. Im Raum Hehlen ließen sich spätestens zu Beginn des 18. Jahrhunderts jüdische Familien dauerhaft nieder; ein Friedhof wurde an der späteren Eisenbahn in Hehlen angelegt und Gottesdienste in einer Synagoge, dem Hintergebäude der Alten Schulstraße 8, abgehalten. Während der Weimarer Republik schlossen sich die jüdischen Bewohner Hehlens der Gemeinde Bodenwerder und später Hameln an. Die Ortschaften Hohe, Brökeln und Daspe gehörten hingegen zum Gebiet der Synagogengemeinde Holzminden.

In Halle ist erstmals für das Jahr 1771 ein jüdischer Bewohner belegt. Die jüdischen Einwohner scheinen gut in die Gemeinschaft integriert gewesen zu sein; von 1850 bis 1866 war Gumpel Breitenstein Ratsmitglied der politischen Gemeinde Halle. Gottesdienste fanden um diese Zeit in einem Betsaal statt, der jüdische Friedhof Am Steinbrinke, kurz hinter dem Ortsausgang Richtung Dohnsen, wurde 1847/8 angelegt. Auch in Halle verringerte sich die jüdische Einwohnerzahl durch Abwanderungen in größere Städte, so dass sich um 1900 die zwei verbliebenen Ehepaare der Gemeinde Bodenwerder zuwandten.

In der Zeit des NS-Regimes hatten auch die jüdischen Einwohner der heutigen Samtgemeinde Bodenwerder mit Repressalien und Verfolgung zu kämpfen, jüdisches Leben und Kultur wurden zerstört. Während die Hehlener Familie David Bachs im Oktober 1938 in eine andere Stadt umgezogen war und anschließend in die USA auswandern konnte, wurden Mitglieder der Familie seines Bruders Alex während der Pogromnacht auf den 10. November 1938 zusammen mit einigen Angestellten verhaftet und im Feuerspritzenhaus inhaftiert. Während einige Nachbarn ihnen halfen, plünderten und verwüsteten Mitglieder nationalsozialistischer Gruppierungen das Geschäft. Die beiden Söhne Kurt und Arthur sowie Kurt Buchheim und drei andere wurden anschließend nach Holzminden transportiert und anschließend auf einem Sammeltransport in das KZ Buchenwald, wo sie bis März 1939 interniert wurden. Bis Frühjahr 1940 konnte die Familie Bach schließlich nach Bolivien flüchten.

Die Mehrzahl der jüdischen Einwohner aus den zu Halle und Kirchbrak gehörenden Ortschaften waren bereits bis in die 1920er Jahren in größere Städte verzogen oder aus Altersgründen verstorben. Einzig eine in einer sogenannten „Mischehe“ lebende Jüdin wohnte in Osterbrak. Ihr Mann wurde 1944 als „jüdisch Versippter“ in das Lager Lenne (Eschershausen) eingeliefert, Margarete Pieper selbst in das KZ Ravensbrück; sie starb auf dem sogenannten Todesmarsch im April 1945. Eine Tochter kam bei Verwandten in Bevern unter, die andere flüchtete. Sie wurde mit einer Pferdewagenstafette Richtung Westen an einen unbekannten Ort gebracht, kehrte aber ebenso wie ihr Vater nach Kriegsende zurück.

In Bodenwerder lebten zu Beginn des NS-Regimes die Familie Blumenthal und das Ehepaar Lindner. Aufgrund der Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte verlor Hans Blumenthal 1934 sein Geschäft. Während sein Bruder Kurt noch 1938 nach Argentinien emigrieren konnte, wurde Hans in der sog. Reichspogromnacht vorübergehend in das KZ Buchenwald verschleppt und schließlich 1941 mit seiner Familie nach Riga deportiert, wo er als „verschollen“ gilt. Seine in einer „Mischehe“ lebende Schwester, Edith Schünemann, konnte 1945 dank des Hamelner Arztes, Dr. Klages, der sie kurzfristig transportunfähig machte und in seine Klinik aufnahm, vor einer Deportation gerettet werden. Ihr Mann Friedrich war als „jüdisch Versippter“ zuvor in das Lager Lenne (Eschershausen) eingeliefert worden. Louis Lindner war nach dem Tod seiner Frau 1937 nach Düsseldorf verzogen; er zog seiner angekündigten Deportation im Juli 1942 den Freitod vor.

Der jüdische Friedhof in Bodenwerder wurde 1942 von der Stadt gekauft und an die Oberweser-Werft verpachtet; diese räumte die Grabsteine ab und nutzte das Gelände als Lagerplatz. Die Friedhöfe in Hehlen, Kemnade und Halle wurden im Jahr 1938 geschändet, die Grabsteine des letzteren sollen als Baumaterial weiterverwendet worden sein.

Nach Kriegsende wurde auf einem Teil des Friedhofs in Kemnade mit dem Bau eines Privathauses begonnen. Das Grundstück wurde 1952 zurückerstattet und in den 1980er Jahren wieder instandgesetzt, der Rohbau steht dort bis heute. Das Wohnhaus, in dem sich der ehemalige Betsaal in Halle befand, wurde 1971 abgerissen.

 

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