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    Osterode

    NS-Zwangsarbeit

     

    Vor allem durch die Ansiedlung neuer Rüstungsfirmen wuchs die Anzahl ausländischer Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge im Raum Osterode während des Krieges zeitweise auf bis zu 9.200 an. Die meisten der Zwangsarbeiter wurden in entsprechenden Lagern untergebracht, einige auch privat. Insgesamt gab es 415 ‚Arbeitgeber’, wobei für Kamschlacken, Riefensbeek und Lerbach nur eine unsichere, lückenhafte Überlieferung vorliegt.

    Forst- und Landwirtschaft

    Schon bald nach Kriegsbeginn wurden polnische Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft der Region Osterode eingesetzt. 15-20 polnische Kriegsgefangene waren ab November 1939 in der Ührdener Gastwirtschaft Sindram untergebracht und arbeiteten in der lokalen und umliegenden Landwirtschaft. Später (vermutlich inzw. in den Zivilarbeiterstatus überführt) lebten sie teils direkt auf den Höfen, stattdessen sollten Franzosen in der Gastwirtschaft untergebracht werden. Größere ‚Arbeitgeber’ im landwirtschaftlichen Bereich waren die Landwirte Domke in Ührde (27 Personen aus der Sowjetunion, Polen und Italien), Klages in Dorste (zehn Polen und der “Ostarbeiter“), das Gut Sindram in Förste (39 Personen aus der Sowjetunion und Italien) sowie die Champignonzüchterei Abel in Katzenstein (43 polnische und italienische Arbeiter).  Außerdem waren bei Landwirt Heise in der Auenstraße, Osterode, in einem Lager bis zu zehn ausländische Zwangsarbeiter untergebracht.

    Im Forst wurden in der Hauptsache Kriegsgefangene eingesetzt. Nachweislich wurden aber auch 12 zivile polnische, französische und „Ostarbeiter“ vom Stadtforstamt Osterode beschäftigt. Ein Lager mit serbischen Arbeitern (Zivilarbeiter und/oder Kriegsgefangene) soll sich ebenfalls in der Stadt befunden haben. 1942 mussten zudem russische Zivilarbeiter aus einem Lager der HEMAF im Forst bei Osterode Zwangsarbeit leisten; ebenso 1943-1944 französische Gefangene aus einem Lager in Freiheit. In Kamschlacken gab es im Jahr 1942 ein sowjetisches Gefangenenlager, dessen Insassen im Forstamt Riefensbeek eingesetzt wurden. Für die Forstämter Riefensbeek und Lonau (Herzberg) mussten darüber hinaus im Winter 1944/45 insgesamt 65 ausländische Personen der OT-Einsatzgruppe IV „Kyffhäuser“ arbeiten.

    Öffentlicher Sektor

    Auch im öffentlichen Sektor waren ausländische Zwangsarbeiter präsent. So beschäftigte die Deutsche Reichsbahn an ihren drei Standorten in Herzberg, Scharzfeld und Osterode insgesamt mehr als 100 Arbeiter aus der Sowjetunion, Polen und Litauen. Die Reichsbahn war auch Träger eines Zivilarbeiterlagers in Osterode mit bis zu 20 Personen. Für die Kreisbahn-Verwaltung des Landkreises Osterode mussten zwischen 1941 und 1945 zudem 21 Personen aus Polen, Frankreich und der Sowjetunion arbeiten.  Auch die HJ setzte zeitweise vier „Ostarbeiterinnen“ als Haushaltshilfen ein.

    Weitere 14 sowjetische und italienische Arbeiter wurden von der Stadtverwaltung Osterode beschäftigt.  Als Pflegepersonal und Haushaltshilfen arbeiteten drei ausländische Personen im städtischen Krankenhaus.  Auch war die Stadt ab 1941 zusammen mit der Fa. Piller Träger eines Zivilarbeiterlagers mit bis zu 223 „Ostarbeitern“ und Polen in der Herzberger Straße 6.  

    Die Osteroder Kaserne an der Bergstraße wurde seit September 1939 als Kriegsgefangenenlager für bis zu rund 900 polnische Offiziere genutzt. Von August 1940 bis Juli 1941 wurden hier französische Gefangene interniert.

    Industrie und Handwerk

    Auch zahlreiche Fabriken, Sägewerke, Handwerks- und Gastronomiebetriebe, Bäckereien u.a.m. beschäftigten während der NS-Zeit ausländische Arbeitskräfte. Darüber hinaus wurden im Steinbruch bei Förste ausländische Zwangsarbeiter eingesetzt.  Entsprechende Zwangsarbeiterlager existierten in der Hellhofstraße 6 und der Herberge zur Heimat in Osterode, ein weiteres (nicht näher bekanntes) Lager befand sich in Petershütte sowie nachweislich 1944 eines in Katzenstein. Über kleinere betriebseigene Zwangsarbeiterlager verfügten die Westharzer Kraftwerke GmbH in Osterode und ab 1942 das Sägewerk Homberger. Hoelemann & Wolff verfügte über zwei Lager mit insgesamt 40 Personen, eines davon im Hasenwinkel. Die Wollfabrik Greve & Uhl betrieb ab 1942 ein Lager am Eulenberg, das mit max. 177 Polen, Franzosen, Italienern und Russen belegt war.

    Bereits Mitte der 1930er Jahre hatte sich Osterode zu einem wichtigen Rüstungsstandort entwickelt. Die Gießerei Müller in Freiheit, Wehrmachtsbetrieb seit 1938, beschäftigte während des Krieges mehrere west- und osteuropäische Zwangsarbeiter. Die Eisengießerei Burchhardt & Co. in Osterode, seit 1937 Wehrmachtsbetrieb, stellte Spezialgüsse für die Wehrmacht her und beschäftigte in seinem Betrieb 27 Franzosen und Italiener. Insgesamt 75 Arbeiter aus der Sowjetunion mussten zudem in der Fabrik Krome arbeiten; diese verfügte über ein betriebseigenes Lager, in dem ab 1942 bis zu 45 „Ostarbeiter“ und Polen lebten. Die Mitteldeutsche Spinnhütte GmbH produzierte in ihrem Osteroder Werk Fallschirmseide; sie beschäftigte dort insgesamt 76 ausländische Arbeiter und unterhielt ab 1942 ein Zivilarbeiterlager mit bis zu 41 Kroaten. Bei der Tuchfabrik Struve sen., ebenfalls Wehrmachtsfabrik, mussten zudem 46 sowjetische und belgische Arbeiter Zwangsarbeit leisten.

    Mit Abstand die größten ‚Arbeitgeber’ im Raum Osterode waren jedoch die vier nachstehenden Rüstungsbetriebe. Hier sind zunächst die Optischen und mechanischen Werke GmbH (OIGEE) in Freiheit zu nennen. Sie produzierten seit 1935 Visiere und Abwurfwaffen und wurden im Jahr darauf Wehrmachtsbetrieb. Während des Krieges beschäftigte der Betrieb insgesamt 418 ausländische Arbeiter, darunter viele Frauen; allein Ende März 1945 waren im Werk 250 Ausländer beschäftigt. Die meisten stammten aus der Sowjetunion und Frankreich, andere aus Polen, Belgien u.a.m. Ein eigenes Barackenlager befand sich hinter dem Schützenplatz und hatte eine Belegstärke von bis zu 203 sowjetischen und französischen Arbeitern. Ab 1942 waren außerdem ukrainische Arbeiter auf dem Firmengelände untergebracht.

    Die Schraubenfabrik Kellermann in Petershütte, seit 1939 Wehrmachtsbetrieb, beschäftigte während des Krieges insgesamt 646 ausländische Arbeiter u.a. aus der Sowjetunion, Frankreich, Tschechien und den Niederlanden. Mit Abstand die meisten waren „Ostarbeiterinnen“; untergebracht waren sie ab 1942 in überbelegten Baracken im Sösegrund, die sanitären Bedingungen waren deutlich unzureichend – bei einer Belegstärke von bis zu 428 ArbeiterInnen aus der Sowjetunion gab es 4 Duschen und 12 WCs. Auch mehrere Kinder lebten nachweislich hier.

    Die Fa. Piller beschäftigte in ihrem Werk in Osterode über die Jahre 905 ausländische ArbeiterInnen, die größtenteils im firmeneigenen Lager am Fuchshaller Weg / Am Hohen Ofen (ab 1942 bis zu 451 Personen) untergebracht waren. Es handelte sich v.a. um Arbeiter aus der Sowjetunion und Frankreich, zudem Niederländer, Polen u.a.m., darunter auch Jugendliche. Wie bereits erwähnt, war Piller zudem zusammen mit der Stadtverwaltung Osterode Träger eines Zivilarbeiterlagers in der Herzberger Straße 6, wo ab 1941 bis zu 223 „Ostarbeiter“ und Polen lebten. Serbische Zwangsarbeiter waren ab 1942 in einem Gebäude neben der Konservenfabrik in der Herzberger Straße untergebracht. Beschäftigt wurden darüber hinaus auch Kriegsgefangene. Aus der Fabrik sind extreme Misshandlungen von Zwangsarbeitern bekannt; die sowjetischen Arbeiter litten zumindest 1943 unter dem Fehlen ausreichender Bekleidung. Dass die Fa. Piller 1944/45 zudem zwei polnische „Kindergärtnerinnen“ beschäftigte, lässt auf das Vorhandensein mehrerer Kinder schließen.  

    Die Heber Maschinen- und Apparatefabrik (HEMAF) in Freiheit stellte vorwiegend Abwurfwaffen her. Sie beschäftigte im Raum Osterode zahlenmäßig die meisten ausländischen ZivilarbeiterInnen, insgesamt waren dies rund 1.180; 540 waren allein Ende März 1945 dort eingesetzt. Sie stammten v.a. aus der Sowjetunion und Italien, gefolgt von Frankreich, Polen, Kroatien u.a.m. Untergebracht waren sie ab 1942 in zwei Lagern mit einer Belegstärke von je bis zu 300 Personen – im Lager „West“ Ecke Baumhofstraße / Branntweinstein sowie im Lager „Ost“ zwischen Alter Harzstraße und Am unteren Vogelherd. In ersterem lebten italienische Militärinternierte, Kroatinnen sowie Zivilarbeiter aus Italien, Frankreich und den Niederlanden; im Lager „Ost“ lebten Polen und RussInnen. In beiden Lagern waren auch Zwangsarbeiter weiterer lokaler Betriebe untergebracht. Misshandlungen von Zwangsarbeitern sind überliefert. Im Herbst 1944 wurde dem Betrieb zudem ein KZ-Außenlager angeschlossen.

    Misshandlungen kamen insbesondere gegenüber „Ostarbeitern“ häufiger vor. Mehrere Einheimische versuchten aber auch, den Zwangsarbeitern heimlich etwas zu Essen zukommen zu lassen. Ein über das notwendige Arbeitsverhältnis hinausgehender Kontakt konnte bei einer Denunziation für beide Seiten harte Strafen nach sich ziehen. Eine Bürgerin aus Osterode wurde für ein Jahr inhaftiert, weil sie französischen Offizieren zur Flucht verholfen hatte. Marlies Röhren aus Hannover wurde wegen Sammelns von Kleidung für Kriegsgefangene der Fa. Piller verhaftet und anschließend von einem militärischen Nachrichtendienst zwangsverpflichtet. Auch von Einweisungen deutscher Arbeiter sowie ausländischer Zwangsarbeiter in Arbeitserziehungslager muss ausgegangen werden.

     

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