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    Osterode

     

    Politischer Widerstand und Verfolgung

    Erste Hausdurchsuchungen und Verhaftungen im Raum Osterode erfolgten im Februar 1933 , nach den Wahlen im März wurden viele aus ihren Berufen verdrängt. Ab März/April wurden größere Razzien und Beschlagnahmungen politischer Schriften durchgeführt. Mindestens 31 Kommunisten wurden allein im März (teils kurzfristig) verhaftet und im Osteroder Gerichtsgefängnis am Amtshof sowie im Gastlokal Ratswaage inhaftiert. Im April wurden weitere Verhaftete in der Alten Harzstraße 24-26 festgehalten, die Gefängnisse reichten nicht mehr aus. Viele wurden anschließend für zumeist einige Wochen „Schutzhaft“ in das frühe KZ Moringen (Landkreis Northeim) überführt – die ersten 25 am 12. April, zwischen April und November waren es nachweislich mindestens 80 (hauptsächlich Kommunisten sowie einige Sozialdemokraten) aus Osterode, Freiheit und den sogenannten Seestädten. Die meisten der aus politischen Motiven Verhafteten wurden mit der KPD in Verbindung gebracht.

    Währenddessen wurde die Opposition weiter aufrechterhalten. Es wurden Kontakte u.a. nach Bad Lauterberg gepflegt, Spenden für die verfolgten Kameraden gesammelt und Flugschriften verbreitet. Nach weiteren Verhaftungswellen fand im August im Osteroder Amtsgericht ein Schauprozess statt. – Wegen „Hochverrats“ wurden sechs Kommunisten und Sozialdemokraten zu Haftstrafen von bis zu drei Jahren verurteilt. Noch bis Ende 1934 wurden Razzien und Verhaftungen durchgeführt, im März 1935 erneut fünf Osteroder Kommunisten wegen „Hochverrats“ zu bis zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Zwar galt der oppositionelle Widerstand seither als ‚besiegt’, nach dem Einmarsch in die Sowjetunion 1941 wurden aber erneut Personen aus dem politischen Widerstand in „Schutzhaft“ genommen und teils in Konzentrationslager überführt.

    Jüdisches Leben und Verfolgung

    Erstmals sind für 1678 sogenannte Schutzjuden in Förste erwähnt. Eine Synagoge gab es spätestens seit 1843. In den 1850er Jahren sowie 1865 – 1870/71 gab es im Ort darüber hinaus eine jüdische Elementarschule und seit 1852/3 einen Friedhof an der Straße Vor dem Berge. Seitdem 1842 die Bedingungen für die Niederlassung jüdischer Personen vereinfacht wurden, siedelten viele von Förste nach Osterode um, 1878/90 erfolgte der Anschluss an die dortige Synagogengemeinde. Bereits für das Mittelalter gibt es Hinweise auf Niederlassungen von Juden in Osterode, eine dauerhafte Ansiedlung erfolgte aber auch hier im 17. Jahrhundert. Zu der Zeit wurde auch ein Friedhof außerhalb der Stadt angelegt, ein zweiter 1869 an der Schwimmbadstraße. Auf dem Privatgrundstück Langer Krummer Bruch 18 wurde ein Betraum eingerichtet, 1787/88 wurde das Grundstück von der jüdischen Gemeinde aufgekauft und zugleich das baufällig gewordene Synagogengebäude durch ein neues ersetzt. In dem 1893 errichteten Vorderhaus befand sich eine jüdische Religionsschule. Auch Bad Lauterberg (ab 1874), Clausthal-Zellerfeld (ab 1876), Herzberg und St. Andreasberg (ab 1901) waren dem Synagogenverband Osterode angeschlossen.

    Im Jahr 1926 zog die letzte jüdische Einwohnerin Förstes in die Stadt Osterode. Der jüdische Friedhof wurde während der Zeit des Nationalsozialismus verwüstet.  

    Bereits in den 1920er Jahren wurde in der Stadt Osterode auf politischen Kundgebungen gegen Juden gehetzt. Mit Beginn der NS-Zeit 1933 litten sie zunehmend unter Diffamierungen und Geschäftsboykotten. Kunden jüdischer Geschäftsleute wurden fotografiert und während eines Demonstrationszugs im August 1935 vor weiteren Folgen ihres Handelns gewarnt. Bis 1939 waren alle jüdischen Geschäfte verkauft und die Mehrzahl der jüdischen Einwohner in größere Städte gezogen oder ins Ausland emigriert. Bereits im Juni 1938 hatte die Gemeinde deshalb den Verkauf des Synagogen- und Schulgebäudes beschlossen; die Umsetzung dessen zog sich jedoch länger hin, so dass die Inneneinrichtungen der Gebäude in der Pogromnacht im November des Jahres Opfer der Zerstörung wurden. Die Gebäude selbst überstanden die Zeit unbeschadet, wenn auch nur, um die umliegenden Häuser nicht durch Brandstiftung zu gefährden. Verwüstet wurden auch jüdische Wohnungen und ein Geschäft, die meisten jüdischen Männer wurden im Amtsgerichtsgefängnis in „Schutzhaft“ genommen. Das Synagogengebäude wurde anschließend als Scheune benutzt, das Schulhaus als Wohnhaus. Den alten Friedhof erwarb 1939 die Kupferhammer als Lagerplatz. Die Stadt selbst erstand 1942 / 43 den neuen Friedhof an der Schwimmbadstraße.

    Mit der südniedersachsenweiten Deportation im Juli 1942 kam die jüdische Einwohnerin Ella Kaufmann nach Theresienstadt, sie starb dort wenig später. Der zum Christentum konvertierte Erich Ballin musste nach einem generellen Berufsverbot für Juden seit 1939 zwangsweise in einer Eisengießerei arbeiten – die Tatsache, dass er in einer sogenannten „Mischehe“ lebte, schützte ihn lange vor einer Deportation; im Februar 1945 wurde aber auch er nach Theresienstadt deportiert. Weil sie eine Beziehung zu einer „Arierin“ pflegten bzw. einen HJ-Führer geschlagen hatten, befanden sich seine Söhne seit 1944 im KZ Buchenwald.  Als "jüdisch Versippter" (seine Frau war Jüdin) musste Bruno Schenk ab Oktober 1944 Zwangsarbeit in den Gipsbergen verrichten. Während des Nationalsozialismus kamen nachweislich sieben der 1933 noch in Osterode lebenden Juden ums Leben, mindestens 29 von ihnen konnten rechtzeitig in das sichere Ausland flüchten. Was mit den 15 in andere Städte und die Niederlande verzogenen Personen geschah, ist unbekannt.  

    Ab Ende des Jahres 1944 befanden sich zwar wieder zahlreiche Personen jüdischer Abstammung und sogenannte „jüdisch Versippte“ im Raum Osterode, allerdings als Zwangsarbeiter für die Firma Heber in Freiheit und für das OT-Projekt „Dachs IV“ in Petershütte.

    Nach Kriegsende lebte die Familie Ballin wieder in Osterode. Eine jüdische Gemeinde gab es jedoch nicht mehr, das Synagogengebäude wurde 1954 zum Wohnhaus umgebaut.

    Zeugen Jehovas

    Die im NS-Jargon noch als „Ernste“ oder „Internationale Bibelforscher“ bezeichneten Zeugen Jehovas lehnten aus religiösen Gründen jedwede Zustimmung zum nationalsozialistischen Regime ab. Ihr Glaube verbot ihnen, sich politisch zu betätigen oder Mitglied einer weltlichen Vereinigung zu sein und erlegte ihnen eine pazifistische Grundhaltung auf ebenso wie eine missionarische Betätigung – Gründe, deretwegen sie im Nationalsozialismus überwacht und häufig verfolgt wurden. In Osterode lebten 12 der Glaubensgemeinschaft angehörige Familien. Ein erster Hetzartikel gegen sie wurde im Mai 1933 veröffentlicht, 1935 und 1937 gab es zwei Verhaftungswellen. Jene sechs Personen, die 1937 vor dem Hannoveraner Landgericht standen, wurden in die Konzentrationslager Buchenwald, Sachsenhausen bzw. Papenburg überstellt. Drei von ihnen wurden nach längerer Zeit aus den KZ entlassen, wofür sie vermutlich ihrem Glauben schriftlich hatten abschwören müssen. Von zwei nicht aktenkundigen Verhaftungen nach 1937 wird in den Forschungsergebnissen Walter Struves ebenfalls berichtet. Neben Verhaftungen mussten Zeugen Jehovas auch den Verlust des Arbeitsplatzes fürchten oder gar den Sorgerechtsentzug gegenüber ihren Kindern. Viele arrangierten sich später unter Druck mit dem Regime oder zogen sich ins Private zurück.

    Zwangssterilisation

    Aufgrund des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933, das auf dem nationalsozialistischen Gedankengut einer „Rassenlehre“ aufbaute, wurden im Krankenhaus Osterode auf Anordnung des Erbgesundheitsgerichtes 74 Menschen zwangssterilisiert. Der Kreisarzt Osterode stellte zwischen 1934 und 1945 außerdem 72 Anträge zur Zwangssterilisation von Frauen in der Universitätsfrauenklinik in Göttingen.

    ... und zahlreiche weitere Beispiele

    Opposition in Form von Verweigerungshaltung gab es auch im weiteren Bürgertum, auch sie hatten bei Denunziation Repressalien und Verfolgung zu fürchten. So wurde ein Osteroder Bürger 1937 für ein Jahr in einem Lager im damaligen Pommern interniert, weil er sich negativ gegenüber dem nationalsozialistischen Regime geäußert hatte.

     

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