Bad Gandersheim
KZ-Außenlager
1944 pachtete die Rüstungsfirma Ernst Heinkel AG das
Gelände in Brunshausen zwischen Bahntrasse und der heutigen
K632 Richtung Gandersheim und verlagerte dorthin aufgrund der
nahenden Front ihr Flugzeugwerk aus Mielec (Polen), die Produktion
begann im August des Jahres. "Da man nicht mehr ausreichend
ausländische Hilfsarbeiter [...] hatte, ordnete das Ministerium
für Rüstung und Kriegsproduktion an, dass man sogleich
KZ-Häftlinge heranziehen sollte. Man sollte sich an das
Lager Buchenwald wenden[.]" (1)
Ehemalige Klosterkirche Brunshausen, 1940er Jahre (Le Goupil / Texier 2005; Original: Katholisches Pfarramt Bad Gandersheim)
Ab Oktober 1944 trafen in Brunshausen nacheinander rund 200
KZ-Häftlinge aus Buchenwald, 331 aus Dachau und 50 aus
Sachsenhausen ein. Das werkseigene Außenlager Brunshausen
wurde dem KZ Buchenwald unterstellt. Im Durchschnitt arbeiteten
bei den Heinkel-Werken 520-550 männliche KZ-Häftlinge;
sie stammten aus 14 unterschiedlichen Ländern, v.a. aus
Frankreich sowie Italien, Russland und Polen. Auch deutsche
"kriminelle" Häftlinge sowie mindestens zwei Zeugen Jehovas
waren darunter. Es herrschten katastrophale Lebensbedingungen.
Bis Januar 1945 kamen die Häftlinge in der halb verfallenen
Kirche des ehem. Klosters Brunshausen unter, die deutlich überbelegt
war und in der es keine Heizmöglichkeiten und nur eine
Waschgelegenheit gab. Während dieser Zeit mussten die Männer
ein Barackenlager am nebenan gelegenen Firmengelände errichten,
das sie ab Januar beziehen konnten; dort gab es Heizöfen,
doch ständiger Hunger begleitete sie. "Man durfte die Nahrung,
welche immer es war, nicht aus den Augen lassen. Das kleinste
Stück Kartoffeln, das auf dem Ofen lag, der kleinste Bissen
Brot, konnte verschwinden." (2) Die Arbeitsbedingungen waren
hart, aber je nach Einsatzstelle unterschiedlich. Einige ehem.
Häftlinge berichten von Sabotageakten, z.B. dass Materialteile
mit Hämmern unbrauchbar gemacht wurden. Auch Misshandlungen
sind überliefert, aber ebenso freundliche Gesten von deutschen
Arbeitern. Nach derzeitigem Forschungsstand starben 26 Häftlinge
an Krankheit und Entkräftung. Die Baracken wurden nach
dem Krieg abgerissen, die Fabrikhallen wird heute von einer
anderen Firma genutzt.
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Links: Baracke der Franzosen, Foto von 1946 (Le Goupil / Texier 2005); rechts: Pierre Texier und Bürgermeister Heinz-Gerhard Ehmen an der Erschießungsstelle im Cluswald, 2005 (Anne-Kathrin Race)
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Am 4. April 1945 wurden 40 marschunfähige Häftlinge
im Cluswald erschossen; die übrigen rund 450 wurden in
einem sogenannten Todesmarsch vor den heranrückenden alliierten
Streitkräften ,evakuiert'. Der Fußmarsch ging über
Bad Grund quer durch den Harz nach Halle und Bitterfeld. Von
dort wurden die Häftlinge auf einer Zugfahrt in das KZ
Dachau gebracht, das sie am 27. des Monats erreichen. Viele
wurden unterwegs erschossen, einige hatten flüchten können.
Nur ungefähr 120-180 (je nach Quelle) von ihnen erreichten
das Ziel, wo sie zwei Tage darauf von den Alliierten befreit
wurden.
(1) So der Assistent des Betriebsführers Kleinemeyer im August 1944. Zitiert in le Goupil / Texier: Bad Gandersheim 2005, S. 17. (2) Robert Antelme in seinen Erinnerungen 1957, 158f., zitiert in le Goupil / Texier: Bad Gandersheim 2005, S. 29.
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